TNM-Klassifikation
1 Einleitung
Die Tumour-Node-Metastasis (TNM)-Klassifikation der
Union International contre le Cancer (UICC) ist das international am
weitesten verbreitete System zur Beschreibung der Krebsprogression (Staging)
und zur Einschätzung der individuellen Prognose. Seit der vierten Auflage
(1987) sind die Kriterien identisch mit denen des Manual for Staging
of Cancer des American Joint Committee on Cancer (AJCC). Trotz ihrer
weiten Anerkennung kristallisierte sich in den 80er Jahren heraus, dass
die Regeln und Definitionen zum Staging nicht ausreichend detailliert
waren. Dieses implizierte die Möglichkeit einer unterschiedlichen Anwendung
der Klassifikation, wodurch die Zielvorgabe einer Standardisierung des
Stagings natürlich konterkariert wurde. Dies betraf nicht nur die Klassifikation
der einzelnen Organkrebse sondern insbesondere auch die allgemeinen
Regeln des Systems. Das TNM Project Committee der UICC reagierte auf
dieses Problem mit einem Komplementband zum TNM-System, der 1993 erstmalig
erschien und die 4. Ausgabe der TNM-Klassifikation begleitete. Ziel
dieses Komplementbandes war es, Regeln für die einheitliche Anwendung
des TNM-Systems zu definieren. Inzwischen ist die 3. Auflage des TNM-Supplementes
(2003) zur 6. Auflage der TNM-Klassifikation (2002) gültig.
Vor dem Hintergrund einer stetig zunehmenden Arbeitsbelastung
ist es recht mühsam, die relevanten Informationen zum TNM-Staging in
der Literatur zu finden. Ziel der vorliegenden Abhandelung ist es, die
derzeit gültigen Regeln zur Anwendung des TNM-Systems und damit auch
die auf ihnen beruhenden TNM-Klassifikationen des Pathologischen Institutes
Oldenburg zu erläutern. Die hier präsentierten Regeln entsprechen den
Vorgaben der UICC und beruhen auf der 6. Auflage der TNM-Klassifikation,
dem derzeit gültigen Komplementband, Übersichtsarbeiten von Mitgliedern
des TNM-Komitees, Informationen auf der Homepage der UICC (<www.uicc.org>)
oder entstammen eigenen Anfragen an das Helpdesk der UICC unter
der gleichen Internet-Adresse.
2 Die fünf allgemeinen Regeln der TNM-Klassifikation
2.1 Allgemeine Regel Nr.1
Jeder Fall sollte
mikroskopisch bestätigt sein. Alle nicht derart belegten Fälle müssen
separat dokumentiert werden.
Ausnahme: Die mikroskopische Bestätigung eines Chorionkarzinoms
ist bei abnorm erhöhtem hCG nicht erforderlich.
2.2 Allgemeine Regel Nr. 2
Für jede Lokalisation
werden zwei Klassifikationen beschrieben, nämlich
a) die klinische Klassifikation (prätherapeutische klinische
Klassifikation), bezeichnet durch TNM (oder cTNM). Diese beruht
auf vor der Therapie gewonnenen Informationen (körperliche Untersuchung,
Bildgebung, Endoskopie, Biopsie, chirurgische Exploration und andere
relevante Informationen)
b) die pathologische Klassifikation (d.h. die postoperative
histopathologische Klassifikation), bezeichnet durch pTNM. Diese
beruht auf prätherapeutisch gewonnenen Informationen, ergänzt oder
modifiziert durch die zusätzlich von der Operation und der pathologischen
Untersuchung stammenden Informationen.
Die TNM-Klassifikation stellt also ein duales System
dar, mit einer prätherapeutischen und einer postoperativen histopathologischen
Klassifikation. Diese beruhen auf unterschiedlichen Untersuchungsmethoden
und dienen unterschiedlichen Zwecken. Die mikroskopische Tumordiagnose
(z.B. an Biopsaten oder Resektatspänen) berechtigt nicht per se zur
Anwendung von pT (die Erfordernisse für die pT-Klassifikation werden
unten beschrieben).
2.3 Allgemeine Regel Nr. 3
Nach Vergabe der
T-, N- und M- und/oder pT-, pN- und pM-Kategorien können diese in
Stadien gruppiert werden. Die einmal etablierte TNM-Klassifikation
und die Stadien-Gruppierung bleiben unverändert in der Krankenakte.
Die Regel, nach der die TNM-Klassifikation nach Etablierung
unverändert bleibt, bezieht sich auf die definitive TNM-Klassifikation,
die unmittelbar vor der Behandlungsentscheidung oder vor der Entscheidung
nicht zu behandeln, bestimmt wurde. Wenn z.B. die anfänglich in einer
Klinik ermittelte Klassifikation T2N0M0 später in einer anderen Klinik,
die über zusätzliche Untersuchungsmöglichkeiten verfügt, auf T2N1M0
gehoben wurde, dann ist die letztgenannte, die auf einer speziellen
Untersuchungstechnik beruht, als definitive Klassifikation anzunehmen.
Nach zwei chirurgischen Eingriffen ist die definitive
pTNM-Klassifikation zusammengesetzt aus den aus der Untersuchung beider
Operationspräparate stammenden Informationen.
Beispiel: Initiale endoskopische Polypektomie
aus dem C. ascendens zeigt ein in die Submukosa infiltrierendes Adenokarzinom:
pT1pNXpMX. Die daraufhin durchgeführte Hemikolektomie rechts führt zum
Nachweis von zwei regionalen Lymphknotenmetastasen, ohne Nachweis von
Primärtumorresiduen; ein metastasenverdächtiger Fokus im Lebersegment
IV stellt sich nach Exzision und histopathologischer Untersuchung als
Hämangiom heraus: pT0pN1pM0. Die definitive pTNM-Klassifikation hat
die Ergebnisse beider Untersuchungen zu berücksichtigen: pT1pN1pM0 (Stadium
IIIA). Der das zweite Operationspräparat begutachtende Pathologe muss
also, falls der erste Eingriff anderenorts durchgeführt wurde und falls
von ihm eine definitive pTNM-Klassifikation erwartet wird, über das
genaue Ergebnis der ersten Untersuchung informiert werden.
2.4 Allgemeine Regel Nr. 4
Falls die Zuordnung
zu einer bestimmten T-, N- oder M-Kategorie zweifelhaft ist, sollte
die niedrigere (d.h. weniger fortgeschrittene) gewählt werden.
Beispiele: Lebersonographie mit einem suspekten
Fokus, der Metastasenkriterien jedoch nicht definitiv erfüllt: M0 (nicht
M1!). Oder: Kolonkarzinom mit histologisch tiefer Infiltration der Muscularis
propria. Die Grenze zur Subserosa wird erreicht, ist jedoch wegen Begleitentzündung
etwas unscharf und trotz Untersuchung von Stufenschnitten nicht eindeutig
überschritten: pT2 (nicht pT3!).
2.5 Allgemeine Regel Nr. 5
Bei Auftreten mehrerer
simultaner Tumoren in einem Organ wird der Tumor mit der höchsten
T-Kategorie klassifiziert und die Multiplizität oder die Gesamtzahl
der Tumoren in Klammern angegeben, z.B. T2(m) oder T2(4). Simultane
bilaterale Tumoren gepaarter Organe sollten unabhängig voneinander
klassifiziert werden. Bei Tumoren der Leber, des Ovars und der Tuben
ist Multiplizität ein Kriterium der T-Klassifikation.
Die Regel gilt für multiple makroskopisch erkennbare
Tumoren einer Primärlokalisation, sie bezieht sich nicht auf einen makroskopisch
sichtbaren Tumor mit multiplen separaten mikroskopischen Foci.
Eine Liste im TNM-Supplementband definiert, was unter
einem Organ zu verstehen ist.
Beispiele für getrennt zu klassifizierende Lokalisationen:
- Oropharynx und Hypopharynx
- Glandula Submandibularis und Glandula
parotis
- Harnblase und Urethra
- Hautkarzinom eines Augenlides und des Halses
Beispiele für zusammen zu klassifizierende Tumoren
(höchstes T mit m oder Tumorzahl in Klammern):
- Zwei getrennte Tumoren des Hypopharynx
- Karzinom des C. ascendens und des C. descendens
(auch und/oder Rektums)
- Hautkarzinom am Arm und am Stamm
- Nierenbecken- und Ureterkarzinom
Falls ein neuer Primärtumor innerhalb von zwei Monaten
im gleichen Organ diagnostiziert wird, gilt er als synchron.
2 T/pT-Klassifikation
- Wenn die Größe ein Kriterium für die T/pT-Klassifikation
ist, ist damit die Größe der invasiven Komponente gemeint.
- Die bisherigen TNM-Publikationen legen nicht fest,
wie die Tumorgröße für die pT-Klassifikation zu messen ist. Laut
AJCC Cancer Staging Manual „pT is derived from the actual measurement
of the unfixed tumour in the surgical specimen. It should be noted,
however, that up to 30% shrinkage of soft tissue may occur in the
resected specimen.” Im Falle einer Diskrepanz zwischen
klinisch und pathologisch-anatomisch ermittelter Tumorgröße nach Formalinfixierung
sollte die klinische Messung auch für die pT-Klassifikation herangezogen
werden. Dieses setzt voraus, dass der Pathologe über den Befund der
klinischen Größenbestimmung informiert wird.
- Die Perforation der viszeralen Serosa kann auch
durch Gewinnung einer Abstrichzytologie von der Serosa über dem Primärtumor
belegt werden.
- Der mikroskopische Nachweis einer Lymph- oder Blutgefäßinvasion
spielt keine Rolle bei der Beschreibung der lokalen Ausbreitung für
die T-Klassifikation (mit Ausnahme der Leber und des Hodens).
Beispiel: Zervixkarzinom mit intralymphangischen Tumorzellen
im Parametrium. Nicht pT2a/b, falls die extrauterine Ausbreitung allein
auf dem Befund der lymphangischen Karzinose beruht. Diese kann durch
die L-Klassifikation kodiert werden.
- Direkte Invasion eines Tumors in ein Nachbarorgan
wird mit der T/pT-Klassifikation kodiert und gilt nicht als Fernmetastase.
Im Gegensatz hierzu wird die direkte Infiltration eines regionalen
Lymphknotens jedoch als Lymphknotenmetastase kodiert.
- Der seltene Fall einer direkten Ausbreitung eines
Tumors in ein benachbartes Organ oder in eine Struktur, die in den
T-Definitionen nicht erwähnt wird, führt zur Klassifikation mit der
höchsten T-Kategorie.
Beispiele: Harnblasenkarzinom mit Infiltration einer Samenblasenwand:
pT4. Retroperitoneales Weichteilsarkom, 3 cm durchmessend, mit
Invasion des Ureters: pT2b.
- Intraoperative Tumorzellverstreuung wird nur bei
der T-Klassifikation des Ovarialkarzinoms berücksichtigt. Bei allen
anderen Tumoren beeinflusst dieses Ereignis nicht die TNM-Klassifikation,
die Stadiengruppierung oder die R-Klassifikation.
- Die Tatsache einer histologischen Diagnose berechtigt
allein nicht zur Verwendung der pT-Kategorien. Für jedes Organ ist
genau festgelegt, welche Anforderung an das zu untersuchende Präparat
gestellt werden muss, damit bestimmte pT-Kategorien angewendet werden
dürfen. Diese Regeln können hier nicht alle aufgelistet werden. Im
Allgemeinen müssen die Präparatränder makroskopisch frei sein. Zwei
häufig vorkommende Situationen sollen jedoch genauer beleuchtet werden.
Harnblasentumoren nach transurethraler Resektion (TUR-B): Die
Bedingungen für pT können nur bei vollständiger Tumorresektion erfüllt
werden, d.h. bei kompletter Entfernung allen makroskopisch sichtbaren
Tumorgewebes von der verbliebenen makroskopisch tumorfreien Harnblasenwand
(seitlich und zur Tiefe). Wenn diese zusätzlich und separat eingesandten
Proben histologisch negativ sind, kann eine komplette Tumorentfernung
angenommen werden. Nur bei diesen Patienten können pTaNXMX oder pT1NXMX
als pathologische Kategorien in Betracht gezogen werden („can
be considered“). In der Regel sind diese Bedingungen nicht erfüllt,
meist fehlen zudem Angaben des Operateurs zum endoskopischen Befund.
Von daher ist die Verwendung von pT-Kategorien bei TUR-B zumeist nicht
angezeigt..
Kolorektales Karzinom: für die Verwendung der Kategorien pT3
und kleiner muss bei pathologischer Untersuchung nach Karzinomentfernung
durch endoskopische Polypektomie, Mukosektomie oder lokale Exzision
der Absetzungsrand mikroskopisch tumorfrei sein (d.h. pT1 R1
gibt es nicht, es heißt dann T1 R1!)
3 N/pN-Klassifikation
- Die klinische Kategorie N0 schließt nichtsuspekte
Lymphknoten auch dann ein, wenn sie palpabel oder mittels bildgebender
Verfahren sichtbar sind. Die klinische Kategorie N1 kommt zur Anwendung
bei klinisch ausreichenden Hinweisen, z.B. Induration, Vergrößerung
oder Veränderungen in der Bildgebung.
- Bei fortgeschrittener lymphonodulärer Metastasierung
kann es zum kapselüberschreitenden Wachstum und zur Ausbildung von
Konglomerattumoren kommen. Bei der N-Klassifikation wird die Größe
der extranodalen Komponente berücksichtigt. Bei Konglomeraten wird
deren Größe herangezogen, nicht die Größe individueller Lymphknoten.
- Wenn die Größe ein Kriterium für die pN-Klassifikation
darstellt, wird nur die Metastase gemessen, nicht der gesamte Lymphknoten.
Dagegen sollte für die cN-Klassifikation nur die Gesamtgröße des Lymphknotens
berücksichtigt.
- Fälle mit ausschließlicher Mikrometastasierung (keine
Metastase größer als 0,2 cm) können durch anhängen von „(mi)“
gekennzeichnet werden.
- Fälle mit gestreuten isolierten Tumorzellen (ITC),
das sind einzelne Tumorzellen oder Gruppen von Tumorzellen, die nicht
größer sind als 0,2 mm, sollten als pN0 (oder pM0) klassifiziert
werden. ITCs können durchaus auch konventionell histologisch entdeckt
werden, sie zeigen typischerweise keine Zeichen metastatischer Aktivität
(z.B. Proliferation oder eine Stromareaktion) oder eine Penetration
der Wände lymphatischer Sinus.
4 M/pM-Klassifikation
- Lymphgefäßinvasion in einem entfernten Organ wird
als pM1 kodiert.
- Ein positiver zytologischer Befund aus der Peritonealhöhle,
basierend auf einer Laparoskopie oder Laparotomie vor einer anderen
chirurgischen Maßnahme, wird als M1 klassifiziert. Neuere Daten zeigen,
dass die auf einer positiven Lavage-Zytologie basierende Verschlechterung
der Prognose möglicherweise überschätzt wurde. Es erscheint also opportun,
diese Fälle separat zu analysieren. Für die Kennzeichnung von Fällen
mit positiver Zytologie aus peritonealen oder pleuralen Flüssigkeiten
als alleiniger Basis für M1, wird die Verwendung von „cy+“ empfohlen,
z.B. M1(cy+). Bei der R-Klassifikation kann R1(cy+) verwendet werden.
- Mikrometastasen (keine Metastase größer als 0,2 cm)
in Viszera oder Knochenmark können durch Anfügen von „(mi)“ gekennzeichnet
werden: pM1(mi).
- Für isolierte Tumorzellen gilt gleiches wie für
regionale Lymphknotenmetastasen (s. Abschnitt 3.5).
5 R-Klassifikation
Bei der R-Klassifikation treten die meisten Missverständnisse
auf. Das R steht für „residual Tumour“, also Resttumor, nicht für „Rand“.
Bei der R-Klassifikation sind demnach nicht nur lokoregionale Tumorreste
zu berücksichtigen, sondern auch in Fernmetastasen verbleibender Resttumor.
R0 korrespondiert mit klinischer Remission oder einer
kurativen Resektion. Die Kategorie kann in Fällen verwendet werden,
bei denen kein Residualtumor mehr nachweisbar ist. R0 schließt nicht
nichtnachweisbare Tumorreste aus. Die Kategorie R0, „kein Resttumor“,
bedeutet daher „kein nachweisbarer Resttumor“ und ist nicht gleichbedeutend
mit Heilung. Die R-Klassifikation kann nach alleiniger chirurgischer
Therapie, aber auch nach alleiniger Radio- oder Chemotherapie oder nach
multimodaler Therapie angewendet werden. Nach chirurgischer Therapie
erfordert die R-Klassifikation eine enge Kooperation von Operateur und
Pathologe.
Ohne Information über den intraoperativen Befund
und über eventuell vorhandene Fernmetastasen kann und darf der Pathologe
keine R-Klassifikation vornehmen.
Die Kategorie RX sollte nur verwendet werden, wenn
der Tumor in mehreren Teilstücken entfernt werden musste und eine topographische
Orientierung nicht mehr verlässlich möglich ist. Sie sollte nicht angewendet
werden, wenn lediglich klinische Informationen (z.B. über cM) fehlen.
Bei nichtinvasiven Karzinomanteilen im Randbereich
wird die Verwendung des Suffixes (is) empfohlen, also R1(is) (nicht
allein R1!) R0 in dieser Situation ist nicht falsch, wird aber nicht
empfohlen.
Intravaskuläre Tumorzapfen im histologischen Randschnitt
werden als R0 kodiert. Lediglich, wenn der Tumorzapfen nicht frei im
Lumen liegt, sondern mit dem Endothel verwachsen ist, ist diese Situation
als R1 zu kodieren.
Bei der R-Klassifikation werden Serumspiegel von Tumormarkern
nicht berücksichtigt.
Bei zytologischer Untersuchung von Aszites oder abdominaler
Lavageflüssigkeit zum Nachweis nichterkennbarer peritonealer Metastasen
kann die Kategorie R1(cy+) verwendet werden.
Die R-Klassifikation fällt also in die Verantwortlichkeit
aller an der (auch intraoperativen) Diagnostik beteiligten Fachgruppen.
Lediglich die Kategorie R2 kann von einem einzelnen vergeben werden,
die Kategorien R1, R0 und RX können nur vergeben werden in Kenntnis
aller relevanten Befunde.
Stadiengruppierung
Der Begriff „Stadium“ sollte nur für Kombinationen
von T-, N- und M- oder pT-, pN- und pM-Kategorien verwendet werden.
Die Bezeichnungen „T-Stadium“ oder „N-Stadium“ sind zu vermeiden. Es
ist korrekt von T- oder N-Kategorien oder -Klassifikation zu sprechen.
Anmerkung des Autors: Diese strenge Begrifflichkeit
ist ernst zu nehmen. Die Zeitschrift „Cancer“ widmet dem Thema in ihren
Anweisungen für Autoren einen ganzen Absatz.
Für die Stadiengruppierung können die klinischen Kategorien
(TNM), die pathologisch-anatomischen Kategorien (pTNM) oder eine Kombination
hieraus herangezogen werden. Falls vorhanden, sollten die pathologisch-anatomischen
Kategorien verwendet werden.
Wer ist zuständig für die abschließende Tumorklassifikation?
„The final TNM classification or stage
grouping rest with a designated individuum who has access to the most
complete clinical data.” Es ist also keineswegs, festgelegt,
welche Fachgruppe für die abschließende Klassifikation zuständig ist:
das kann ein Pathologe sein, ein Assistenzarzt, ein Dokumentationsassistent
etc. Wichtig ist, dass die Zuständigkeit nicht als selbstverständlich
vorausgesetzt sondern erklärt wird und dass der oder die Zuständige
über alle notwendigen Informationen verfügt. Sollte der Pathologe mit
der abschließenden TNM-Klassifikation beauftragt sein, benötigt er lediglich
Informationen darüber, ob klinischerseits Fernmetastasen bekannt sind
und ob bei der OP makroskopisch Resttumor verblieben ist. Inder Praxis
genügt z.B. ein einfaches M0R0 des Operateurs auf dem Begleitschein
(soll heißen: „Ich habe keinen Hinweis auf Fernmetastasen oder andere
verbliebene makroskopische Tumorreste“) um den Pathologen in die Lage
zu versetzen, eine abschließende Tumorklassifikation einschließlich
Stadiengruppierung vorzunehmen.
Anmerkung: Die S3-Leitlinie Kolorektale Tumoren
verpflichtet den Pathologen, eine R-Klassifikation anzugeben. Das kann
er nur, wenn er über Information darüber verfügt, ob klinischerseits
Fernmetastasen verblieben sind und sich aus dem Operationsbefund keine
Einwände gegen R0 oder R1 ergeben.
Ergänzende deskriptive Symbole
Die Klassifikation vorbehandelter Tumoren – das Symbol „y“
Nach einer multimodalen Therapie (neoadjuvante Radio-
und/oder Chemotherapie) kann wegen eventueller regressiver Veränderungen
die pathologische Beurteilung des Tumors eingeschränkt sein. Nicht selten
sind z.B. bei neoadjuvant behandelten Rektumkarzinomen am Operationspräparat
nur noch kleine und regressiv veränderte oder überhaupt keine Tumorreste
mehr zu finden (sog. down staging). Auch die regionären Lymphknoten
sind nach einer solchen Therapie oft atrophisch oder sklerosiert und
daher nur erschwert nachweisbar. Die Klassifikation hat daher nicht
die gleiche Verlässlichkeit wie die nach allein chirurgischer Therapie.
Zur Kennzeichnung der Klassifikation nach neoadjuvanter Therapie wird
das Präfix „y“ verwendet. Die ypTNM-Klassifikation beschreibt das Tumorausmaß
nach Therapie und sollte nur vitale Tumorzellen berücksichtigen und
nicht Residuen nach Regression, wie Schleim-Seen, Granulationsgewebe,
Histiozytenansammlungen, Narben etc.
Die Klassifikation von Rezidivtumoren – das Symbol „r“
Hierbei muss ein dokumentiertes krankheitsfreies Intervall
vorliegen. Rezidive nach kurativer Therapie werden durch das Präfix
„r“ gekennzeichnet, also rTNM oder rpTNM. Auf diese Weise kann eine
chronologische Dokumentation des Krankheitsverlaufes generiert werden.
Eine Stadiengruppierung wird bei Rezidivtumoren nicht durchgeführt.
Die T-Kategorien können bei Rezidiven im Gebiet des
Primärtumors nur in Fällen eines Rezidivs im Anastomosenbereich nach
partieller oder kompletter Resektion eines Organs des Gastrointestinaltraktes
verwendet werden.
Beispiel: Z.n. Gastrektomie mit R0-Situation.
Jetzt Lokalrezidiv im Bereich der Ösophago-Jejunostomie, mit Infiltration
der Mukosa, der Submukosa, der Muscularis propria und des perimuskulären
Gewebes – rT3.
In anderen Fällen kann das Lokalrezidiv als „rT+“ gekennzeichnet
werden.
Beispiel: Ein 2 cm durchmessendes Lokalrezidiv
nach einfacher Mastektomie, mit oder ohne Infiltration der Haut oder
der Brustwand – rT+.
Ein nach freiem Intervall im Gebiet des Primärtumors
auftretender Tumor mit unterschiedlichem histologischen Typ sollte nicht
als Rezidiv klassifiziert werden.
Beispiel: Z.n. brusterhaltender Therapie eines
duktalen Carcinoma in situ (high grade) mit invasivem duktalen Karzinom
(G2), Durchmesser 0,9 cm. Jetzt im gleichen Quadranten ein tubuläres
Karzinom (G1), Durchmesser 1,2 cm. Klassifikation: pT1c (nicht
rpT+).
Bemerkung: Das letzte Beispiel stammt aus eigener Praxis.
Wegen der in den Publikationen der UICC nicht definierten Situation
kontaktierten wir das Helpdesk der UICC und erhielten über den
Vorsitzenden des TNM-Komitees, Dr. L.H. Sobin, die eben skizzierte Antwort.
Quellen
American Joint Committee on Cancer (AJCC) Cancer staging handbook.Greene
FL, Page DL, Fleming ID, Fritz AG, Balch CM, Haller DG, Morrow M (ed)
Springer, 6th ed., 2002
International Union Against Cancer (UICC) TNM classification of malignant
tumours. Sobin LH, Wittekind C (ed.). Wiley & Sons, 6th
ed, 2002
International Union Against Cancer (UICC) TNM supplement. A commentary
on uniform use. Wittekind C, Greene FL, Henson DE, Hutter RVP, Sobin
LH (ed.). Wiley & Sons, 3rd ed., 2003
Wittekind C, Compton CC, Greene FL, Sobin LH. TNM residual tumor classification.
Cancer 94: 2511-2519, 2002
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